Eine hilfreiche Kommentierung
Erläuterungen zum §11 Tierschutzgesetz
1. Sachkunde der verantwortlichen Person - nur „schmückendes Beiwerk”?
Das Tierschutzgesetz (TSchG) ist seinem juristischen Charakter nach dem Strafrecht zugeordnet. Der Inhalt des Tierschutzgesetzes lässt sich stark vereinfachend mit dem Satz „Du darfst kein Tier quälen. Tust Du es doch, wirst Du bestraft.” zusammenfassen.
Um bei einem Verstoß gegen eine strafrechtliche Bestimmung auch die jeweils vorgesehene Strafe verhängen zu können, muss einer bestimmten Person schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden. Das ist nicht immer möglich, wenn für einen Verstoß mehrere Personen in Betracht kommen, keine die Schuld zugibt und auch keine sonstigen eindeutigen Beweise für die Schuld einer bestimmten Person gefunden werden können.
Mit solchen Situationen waren auch die Überwachungsbehörden im Zoofachhandel immer wieder mal konfrontiert, als es die Bestimmungen des heutigen § 11 Tierschutzgesetz noch nicht gab. Ein Verstoß gegen eine tierschutzrechtliche Bestimmung wurde festgestellt. Die Schuldfrage war aber sehr oft nicht zu klären. Die vorgesehene Strafe konnte also nicht verhängt werden.
Der Gesetzgeber hat darauf erstmalig im Jahr 1986 (Inkrafttreten 01.01.1987) mit der Einführung einer verantwortlichen Person (§11 Abs. 2 Satz 1 TSchG) reagiert. Nicht immer ist die verantwortliche Person Schuld an einem Fehler, der zu einem Verstoß gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen geführt hat. Nach wie vor ist die Schuldfrage nicht immer mit ausreichender Sicherheit zu klären, aber die zuständige Behörde hat nunmehr die Möglichkeit zu prüfen, ob der verantwortlichen Person zumindest eine Mitschuld nachzuweisen sein könnte. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn eine falsche Anweisung an das Personal gegeben wurde. Vielleicht ist auch mal gar keine gegeben worden. Auf jeden Fall muss das Verhalten der verantwortlichen Person schließlich zu dem festgestellten Verstoß beigetragen haben.
Immer wieder ist zu hören und/oder zu lesen, dass für ein Zoofachgeschäft mehrere verantwortliche Personen verlangt werden. Vor dem Hintergrund der hier dargelegten rechtlichen Zusammenhänge ist leicht nachvollziehbar, dass das dem Zweck des § 11 Tierschutzgesetz widersprechen würde. In vielen Fällen wäre dann wieder nicht zu klären, wer von den mehreren verantwortlichen Personen denn die Schuld oder zumindest eine Mitschuld trägt.
Die Forderung nach Sachkunde der verantwortlichen Person ist ohne jeden Zweifel eine sinnvolle Ergänzung der Bestimmungen über die verantwortliche Person. Systematisch ist sie jedoch der zweite Schritt. Es war zunächst entscheidend, mit der Einführung einer verantwortlichen Person in ihr einen Normadressaten zu haben bei eventuellen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. Letztlich ist die Sachkunde also doch mehr als lediglich „schmückendes Beiwerk” und unter dem Gesichtspunkt des ethischen Tierschutzes ohnehin eine ganz wesentliche Errungenschaft.
2. Es gibt keine natürlichen Personen „mit § 11”
Die Erlaubnis zum gewerbsmäßigen/gewerblichen Handel mit lebenden Wirbeltieren gemäß § 11 Tierschutzgesetz ist von der jeweiligen Firma zu beantragen und wird auch immer auf die Firma ausgestellt, nicht etwa auf die verantwortliche Person.
Das diesbezügliche Missverständnis dürfte darauf beruhen, dass Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als § 11 Tierschutzgesetz erstmalig eingeführt wurde, der Zoofacheinzelhandel von Personenfirmen geprägt war. Firma und Inhaber waren letztlich identisch, und meist war der Inhaber auch gleichzeitig verantwortliche Person. Für die Erlaubniserteilung ist die Eignung der Räumlichkeiten und Einrichtungen unter Tierschutzaspekten genauso wichtig wie die Sachkunde der verantwortlichen Person. Die scherzhafte Bemerkung, dass niemand Räumlichkeiten und Einrichtungen in seiner Hosentasche mit sich trägt, sei an dieser Stelle gestattet. Sie macht deutlich, dass Räumlichkeiten und Einrichtungen Aspekte der jeweiligen Firma sind. Erlaubnisinhaber ist also immer die Firma, nicht eine natürliche Person, also nicht der Inhaber und schon gar nicht die verantwortliche Person, auch wenn bei Personenfirmen zwischen diesen Dreien auf den ersten Blick nicht eindeutig zu unterscheiden ist (Siehe oben!).
Wie die Räumlichkeiten und Einrichtungen zu gestalten sind, ist nicht konkret festgelegt. Der jeweils zuständige Amtstierarzt hat darüber zu befinden, was im Einzelfall als tierschutzgerecht und damit erlaubnisfähig zu betrachten ist. Um dieser großen Verantwortung gerecht werden zu können, kann bzw. soll der Amtstierarzt Fachliteratur zu den fraglichen Tierarten bei seinen Entscheidungen berücksichtigen. Für Gehegemaße und -einrichtung sowie Besatzdichten können auch die einschlägigen TVT-Checklisten und/oder die Mindestanforderungsgutachten des Bundeslandwirtschaftsministeriums als Orientierungsgrundlage dienen.
3. Sachkundenachweis für die verantwortliche Person
§ 11 Tierschutzgesetz fordert einen Sachkundenachweis gegenüber der zuständigen Überwachungsbehörde ausschließlich von der verantwortlichen Person. Der Sachkundenachweis kann von der zuständigen Behörde nur im konkreten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem Erlaubnisantrag bearbeitet und die Sachkunde ggf. als ausreichend anerkannt werden. Die Sachkunde wird zudem immer nur indirekt bescheinigt, nämlich lediglich dadurch, dass die verantwortliche Person als solche in die Erlaubnis für die jeweilige Firma eingetragen wird.
Eine von einem konkreten Erlaubnisverfahren unabhängige Anerkennung der Sachkunde, also sozusagen einen Sachkundenachweis auf Vorrat, sieht § 11 Tierschutzgesetz nicht vor. Mithin sind alle diesbezüglichen Bemühungen vom geltenden Recht nicht gedeckt. Mehr noch, sie laufen letztlich ins Leere. Bei jedem Neuantrag hat die Behörde die Sachkunde der verantwortlichen Person erneut zu prüfen.
Der Sachkundenachweis ist der Nachweis über langjährige Erfahrung im Umgang mit den fraglichen Tierarten. Nicht mehr und nicht weniger. Wie der Nachweis gegenüber der Behörde zu führen ist, ist nicht genau vorgegeben. Letztlich kommen alle Dokumente in Betracht, aus denen praktische Erfahrung mit den fraglichen Tierarten zu entnehmen ist (Arbeitszeugnisse, Eidesstattliche Erklärungen u.v.m.). Mit Zertifikaten über absolvierte Prüfungen lässt sich in der Regel keine langjährige Praxis nachweisen, weshalb solche Zertifikate von den zuständigen Behörden nicht als alleinige Sachkundenachweise anerkannt werden können.
4. Das zusätzliche Fachgespräch
Ist der Sachkundenachweis für die verantwortliche Person formal erbracht (Siehe Folge 3!), können dennoch Zweifel an der tatsächlichen Sachkunde übrig bleiben. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn der nachgewiesene praktische Umgang mit den fraglichen Tierarten schon längere Zeit zurückliegt. Die Behörde kann in solchen Zweifelsfällen ein zusätzliches Fachgespräch fordern.
Die Durchführung solcher Fachgespräche gehört zu den in § 11 Tierschutzgesetz den zuständigen Behörden auferlegten Pflichten. Eine Behörde darf sich dieser Aufgabe also nicht entziehen, beispielsweise durch die Forderung, einen anderswo erworbenen Sachkundenachweis vorzulegen und diesen damit zur zwingenden Erlaubnisvoraussetzung zu machen. Die Behörden können allerdings externe Experten zu solchen Fachgesprächen hinzuziehen.
Sachkundenachweise von Verbänden können von den zuständigen Behörden als Ersatz für das Fachgespräch anerkannt werden. Legt ein/e Kandidat/in solche Sachkundenachweise vor, die sie/er zuvor freiwillig erworben hat, kann die zuständige Behörde auf ein zusätzliches Fachgespräch verzichten (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes Nr.12.2.2.4 Satz 2).Die Behörde darf aber solche Sachkundenachweise von Verbänden nicht zur zwingenden Voraussetzung für die Erlaubniserteilung machen. (siehe oben!)
5. Sachkunde der nicht verantwortlichen Mitarbeiter/innen
Für Tierverkauf, Tierpflege und Kundenberatung darf nur sachkundiges Personal eingesetzt werden. Das bedeutet aber nicht, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Sachkunde gegenüber der zuständigen Behörde nachzuweisen hätten. Die jeweils zuständige Behörde darf das nicht verlangen, weil ihr dafür - im Unterschied zum Sachkundenachweis der verantwortlichen Person - der gesetzliche Auftrag fehlt.
Der Betreiber eines Zoofachgeschäfts oder sein Beauftragter (Geschäftsführer, Filial- oder Abteilungsleiter) haben sich von der Sachkunde jeder Mitarbeiterin und jedes Mitarbeiters selbst zu überzeugen, bevor diesen Aufgaben in den Bereichen Tierverkauf, Tierpflege und/oder Kundenberatung übertragen werden. Auf welche Weise sich der Betreiber oder sein Beauftragter von der Sachkunde des eigenen Personals überzeugen, ist nicht konkret vorgeschrieben. Denkbar ist, sich anhand der vorgelegten Arbeitszeugnisse früherer Arbeitgeber zu überzeugen. Bei langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann man in der Regel einschätzen, was die/der Einzelne weiß und kann. Firmen- oder beispielsweise konzerninterne Sachkundeprüfungen sind eine weitere Möglichkeit.
Dass sich der Betreiber oder sein Beauftragter von der Sachkunde überzeugt haben, sollte dokumentiert werden. Dazu eignen sich Kopien der Zeugnisse früherer Arbeitgeber, bei langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Kopien speziell für diesen Zweck ausgestellter Zwischenzeugnisse oder eben eine Dokumentation über eine firmen- oder konzerninterne Prüfung, also beispielsweise die Kopie einer darüber ausgestellten Urkunde oder eines sonstigen Zertifikats, aus dem die Teilnahme und das erfolgreiche Bestehen der Prüfung zu entnehmen ist.
6. Auch (noch) nicht sachkundiges Personal darf eingestellt und beschäftigt werden
Auszubildende und anzulernendes Personal dürfen alle im Zoofachhandel anfallenden Arbeiten ausführen, ohne sachkundig zu sein. Das gilt insbesondere auch für die Bereiche Tierverkauf, Tierpflege und Kundenberatung. Schließlich sollen und müssen solche Mitarbeiter ja auch diese Tätigkeiten einüben. Allerdings muss das dann immer unter Aufsicht des Betreibers, dessen Beauftragten oder anderer sachkundiger Mitarbeiter/innen geschehen.
Nach einer ausreichenden Einarbeitungszeit sind der Betreiber oder sein Beauftragter davon überzeugt oder können sich davon überzeugen, dass ein/e neue/r Mitarbeiter/in sich zwischenzeitlich ausreichende Sachkunde angeeignet hat (Siehe hierzu auch Punkt 5). Ab diesem Zeitpunkt darf die die/der jeweilige Mitarbeiter/in auch mit eigenverantwortlich durchzuführenden Arbeiten im Lebendtierbereich betraut werden.
Wichtig ist, dass bereits vorhandene Sachkunde nicht Voraussetzung für die Einstellung und Tätigkeit im Zoofachhandel ist. Letztlich darf man jede Person ohne Berufserfahrung einstellen und unter den beschriebenen Voraussetzungen (Siehe oben!) auch sofort im Zoofachhandel einsetzen. Auf die Überwachung und Qualifizierung kommt es an.
7. Die Erlaubnisbeantragung
Die Erlaubnis muss von der jeweiligen Firma (Siehe auch Punkt 2) meist formlos beim Veterinär- (das ist die Regel) oder Ordnungsamt beantragt werden. Einige Behörden haben allerdings spezielle Antragsformulare entwickelt. Ein vorheriger Anruf bei der zuständigen Behörde ist also in jedem Falle anzuraten.
Der Antrag muss Angaben enthalten zu
- dem Ort des Gewerbes (Geschäftsadresse)
- dem Inhaber des Geschäftes (Name, Anschrift, Geburtsdatum und -ort)
- der „für die Tätigkeit verantwortlichen Person“, die nicht mit dem jeweiligen Firmeninhaber identisch
- sein muss (Name, Anschrift, Geburtsdatum und -ort) und
- den Tierarten und jeweiligen Stückzahlen, die gleichzeitig gehalten werden sollen.
Dem Antrag sind Nachweise über die Sachkunde der „für die Tätigkeit verantwortlichen Person“ beizufügen. (Siehe hierzu auch Punkt 3)
Mit der Tätigkeit, im Falle des Zoofachhandels also mit dem gewerblichen Handeln mit lebenden Wirbeltieren, darf erst nach Erlaubniserteilung begonnen werden.
Ein immer wieder feststellbarer Irrtum besteht darin, dass eine einmal erteilte Erlaubnis wie ein Führerschein solange gültig bleibe, bis sie von der Behörde eventuell mal entzogen wird. Ursächlich dafür könnte die verbreitete aber unzutreffende Annahme sein, dass die Erlaubnis nach § 11 Tierschutzgesetz personenbezogen sei. (Siehe hierzu Punkt 2) Eine Erlaubnis nach § 11 Tierschutzgesetz bezieht sich immer nur auf die konkrete und darin dokumentierte Situation zum Zeitpunkt der Erlaubniserteilung. Bei Umzug, Wechsel der verantwortlichen Person und auch, wenn lediglich die Tierverkaufsanlagen verändert werden, ist jedes Mal eine neue Erlaubnis zu beantragen.
8. Die Auflagen im Sinne von § 11 Abs. 2a Tierschutzgesetz
§ 11 Abs. 2a Tierschutzgesetz beinhaltet lediglich Beispiele für mögliche Auflagen. Je nach Erfordernis kann die zuständige Behörde also auch Auflagen erteilen, die im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt werden.
Es handelt sich um eine Kann-Bestimmung. Es müssen also keine Auflagen erteilt werden. Mehr noch: Das Tierschutzgesetz setzt den zuständigen Behörden sehr enge Grenzen in Bezug auf die Auflagenerteilung. Die entscheidende Formulierung lautet: „...kann, soweit es zum Schutz der Tiere erforderlich ist, ...”. Da steht nicht etwa „... falls von der zuständigen Behörde für erforderlich gehalten, ...”. Auflagen können also nur dann erteilt werden, wenn die Behörde im Einzelfall zuvor konkrete Verstöße festgestellt hat. Das muss sogar wiederholt geschehen sein, denn wenn aufgrund einer einmaligen Ermahnung der jeweilige Missstand umgehend beseitigt wurde, ist eine sich darauf beziehende Auflage nicht mehr erforderlich.
Auflagen dürfen also auch nicht vorsorglich erteilt werden, beispielsweise bereits zum Zeitpunkt der ersten Erlaubniserteilung für ein neues Zoofachgeschäft. Zu diesem Zeitpunkt kann die zuständige Behörde noch gar nicht absehen, ob sich Umstände ergeben werden, die Auflagen erforderlich werden lassen. Sind solche Umstände im Einzelfall nach einiger Zeit feststellbar und sind diese auch nach wiederholter Beanstandung durch die zuständige Behörde nicht behoben worden oder treten immer wieder auf, kann die erteilte Erlaubnis jederzeit begründet entzogen werden.
In eine neue Erlaubnis kann dann eine Auflage aufgenommen werden, die dazu geeignet ist, den zuvor wiederholt festgestellten Missstand zukünftig zuverlässig zu vermeiden. Die Auflage muss sich also auf den konkreten Missstand beziehen. Wurde beispielsweise wiederholt starker Überbesatz in der Ziervogelverkaufsanlage festgestellt und beanstandet, während in den anderen Lebendtierbereichen immer alles in Ordnung war, kann das Führen eines Bestandsbuchs ausschließlich für den Ziervogelverkauf zur Auflage gemacht werden. Weil in den übrigen Lebendtierbereichen ja immer alles in Ordnung war, ist dafür eine solche Auflage nicht erforderlich und damit eben auch nicht zulässig.