Über richtige und falsche Zuchtziele
Qualzuchten - geeignete Heimtiere?
Der ZZF fordert rechtsverbindliche Listen mit Zuchtformen und Einzelmerkmalen, die als Qualzuchten zu betrachten sind.
Einigen Menschen reicht es nicht, Tiere zu züchten - sie selektieren in der Zucht Merkmale, die besonders oder außergewöhnlich aussehen oder in Mode sind. Die Übertypisierung bestimmter Merkmale kann zu extremen Ausprägungen führen, die tierschutzrelevant sind. Beispiele sind besondere Farb-, Form- oder Zeichnungsvarianten, Haar- oder Schuppenlosigkeit und bestimmte Körperformen wie zum Beispiel Zwergwuchs, kurze Beine oder eine Kurzköpfigkeit bei Hunden oder Kaninchen.
Die Zuchtauslese auf extreme Merkmale kann jedoch dazu führen, dass das erwünschte Merkmal mit einem Zuchtmerkmal einhergeht, das schädlich für das Tier ist.
Es gibt Katzen mit großen, rundlichen Köpfen und Stupsnase, die vermehrt unter Zahnfehlstellungen und eingeschränkter Atmung leiden. Nacktkatzen haben keinen Schutz vor Kälte, Zugluft oder Hitze. Rundköpfige Hunde mit kurzen Kiefer- und Nasenknochen leiden oft an Atemnot, Schluckbeschwerden und Schlafproblemen. Albinotische Echsen ohne Schutzpigmente können sich schwere Augenschäden zuziehen, wenn sie unter UV-Licht sitzen. In der Taubenzucht führte die Schnabelverkürzung als Zuchtziel dazu, dass Elterntiere ihre eigene Nachzucht nicht mehr aufziehen können.
Aufklärung tut not
Der Wunsch nach dem Besonderen kann also Leiden und Schäden für Tiere zur Folge haben. Einigen Tierhaltern ist möglicherweise gar nicht bewusst, dass ihr Modetier unter gesundheitlichen Einschränkungen leidet. Zoofachhändler leisten hier eine wichtige Aufklärungsarbeit: Jede Tierart ist faszinierend und viele Heimtiere haben einen eigenen Charakter, den Tierfreunde entdecken können. Wenn Zoofachhändler ihre Kunden für diese Merkmale begeistern, sind Farbschläge oder Körperformen möglicherweise nicht mehr so entscheidend. Ein gesundes Heimtier muss nicht so häufig beim Tierarzt vorgestellt werden. Wenn Kundinnen und Kunden bereits ein Tier halten, das unter zuchtbedingten Defekten leidet, sollten Zoofachhändler über die richtige Haltung und Pflege informieren.
Ziel des Züchtens sollten gesunde Tiere sein
Formen einer Tierart, die aufgrund züchterischer oder chirurgischer Maßnahmen so verändert sind, dass sie zu artüblichem Verhalten nicht mehr in der Lage sind, sind für die Heimtierhaltung ungeeignet und damit vom Handel auszuschließen. Das Ziel des Züchtens sollten vor allem gesunde Tiere sein. Im Juni 1999 veröffentlichte das Bundeslandwirtschaftsministerium ein nicht rechtsverbindliches Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes, in dem Qualzuchtmerkmale einzelner Rassen und Arten beschrieben sind. Laut diesem Gutachten sind Defektgene und genetisch bedingte Anomalien in der Züchtung so zu berücksichtigen, dass möglichst keine Nachkommen (Merkmalsträger) entstehen, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden behaftet sind.
ZZF für Studien und Gutachten über Qualzuchten
Allerdings ist es nicht immer eindeutig, ob ein gezüchtetes Tier mit einem besonderen Merkmal eine Qualzucht ist. Wenn Tiere in der Heimtierhaltung keinen Fressfeinden mehr ausgesetzt sind, können sie möglicherweise auf bestimmte Merkmale verzichten. Zudem sind sich Fachleute nicht immer einig, ob bestimmte Merkmale einen Defekt darstellen. So hört nicht jedes Kaninchen mit einem geknickten Ohr schlecht oder neigt zu Ohrentzündungen. Der Bedarf an Studien, die die Tiergesundheit bei Zuchtformen untersuchen, ist daher groß.
"Der ZZF hat Qualzuchtformen ohne jede Einschränkung auf seine Negativliste über ungeeignete Heimtiere gesetzt. Das entsprechende Gutachten zu §11 b Tierschutzgesetz ist jedoch veraltet. Wir plädieren für neue rechtsverbindliche Listen mit Zuchtformen und Einzelmerkmalen, die als Qualzuchten zu betrachten sind."
In dem 1999 veröffentlichten Gutachten zu §11b Tierschutzgesetz werden einige Qualzuchtformen beschrieben, die der ZZF ohne jede Einschränkung auf seine Negativliste über ungeeignete Heimtiere gesetzt hat. Das Gutachten ist jedoch veraltet, viele Tiere sind noch nicht beschrieben. Der ZZF fordert daher Studien über Zuchtformen mit schwerwiegenden Gesundheitsproblemen und rechtsverbindliche Vorgaben, in denen Qualzuchtmerkmale einzelner Rassen und Arten beschrieben sind.
Empfehlung für die Zucht von Kleinsäugern und Vögeln
Der ZZF empfiehlt für Kleinsäuger und Vögel eine natürliche Aufzucht durch die Elterntiere mit vorsichtigem Menschenkontakt, der jedoch nicht zu einer Prägung oder Fehlsozialisation auf den Menschen führen darf.
Diese Aufzucht ermöglicht eine natürliche Prägung auf die Art und feste Bindung zu den Eltern, gewährleistet jedoch, dass sich bereits Jungtiere an Berührungen durch den Menschen gewöhnen, um spätere ggf. notwendige Kontakte stressfreier zu gestalten. Eine isolierte Handaufzucht ist zu vermeiden und nur in absoluten Notfällen indiziert.
Gefärbte oder gentechnisch veränderte Zierfische
Ab und zu tauchen im internationalen Zierfischhandel unnatürlich bunte leuchtende Fische auf. Sie sind entweder gentechnisch verändert oder gefärbt. In der EU ist der Handel mit transgenen Zierfischen verboten. Die Mitglieder des ZZF haben darüber hinaus beschlossen, nicht mit künstlich durch Injektion von Farbstoffen gefärbten oder durch genetische Manipulation eingefärbten Zierfischen zu handeln.
„Qualzucht-Evidenz Network“ der Tierärztekammer Berlin
Informationen zum Thema Qualzucht sind schwer zu recherchieren. Die Tierärztekammer Berlin hat deshalb mit zahlreichen Förderern und Partnern die wissenschaftsbasierte Datenbank QUEN ins Leben gerufen: Das so genannte "Qualzucht Evidence Network" soll Veterinärämter und weitere Organisationen bei ihren Recherchen unterstützen. Zu den Freunden und Förderern des Datenbankprojektes QUEN gehört auch der ZZF. Der Verband unterstützt QUEN insbesondere mit Fachwissen über Fische, Amphibien und Terrarientiere.
Dr. Stefan Hetz
Wissenschaftlicher Fachreferent für Heimtiere und internationale Beziehungen